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2005: Prof. Valerio Dehò

2005, „Das Glück der Farbe“, Prof. Valerio Dehò

 
Die Kunst von Gerdi Gutperle hat in den letzen vier Jahren eine ständige Umwandlung erlebt, insbesondere unter dem technischen Gesichtspunkt. Infolgedessen erleben auch die Inhalte und die Werte ihrer Arbeit eine ständige Verfeinerung.

Ihre Gemälde sind eine Weiterentwicklung ihrer Ideen gegenüber der Kunst, und diese reflektieren über das Leben, über die Solidarität, über die Fähigkeit der Malerei, Farbe und Glück überall hinzubringen. Aber in den verschiedenen Phasen, welche die Künstlerin durchlebt hat, liest man insbesondere eine Suche nach Qualität und nach absoluter Ehrlichkeit. Diese Klarheit ist auch in den neuesten Arbeiten, die die förmliche Erfahrung der Abstraktion im klassischen Sinne, als progressive Entfernung aus der Realität fortsetzen, offensichtlich. Eine Realität, die als figürliche Gegebenheit entsteht, als Mimesis, und ihren Komponenten progressiv Freiraum lässt, um an die pure Form zu gelangen. Ein Prozess, in dem die Realität weiterhin existiert, aber im Hintergrund, als extremer, wesentlicher Bezug, nicht jedoch als Subjekt der künstlerischen Komposition.

Es geht also nicht darum, ohne den direkten Kontakt mit den Personen und mit den Dingen auszukommen, sondern darum, diese Verhältnisse durch die Malerei zu einem anderen Stand zu bringen, zu einer freieren, aber auch universellen und direkteren Ausdrucksebene. Dies ist ein großer Fortschritt in der Arbeit der Künstlerin, die sich weiterhin auch mit figurativen Themen beschäftigt, gleichzeitig aber eine ganz besondere und absolut zeitgenössische Ausdruckstechnik perfektioniert.

Die jüngsten Arbeiten gehen aus einem Verarbeitungsprozess früherer Arbeiten hervor, deren Abbildungen eingescannt wurden. Daraus werden Files erstellt, die dann von der Künstlerin ausgewählt und nach ihrem kreativen Schaffensdrang verändert werden. Anschließend werden die Files auf eine speziell präparierte Leinwand ausgedruckt. Auf diesen Träger wirkt Gerdi Gutperle mit den Ölfarben ein. Diese komplexe Verarbeitung bringt mit sich, dass die Künstlerin direkt in alle Phasen der Kreation eingreift: Von der ersten, grundlegenden Phase, in der sie das Gemälde auswählt, das als Basis dienen soll, bis zur letzen, in der sie das Werk praktisch neu bestimmt. Es ist, als ob die Malerei von einer konzeptuellen Kraft unterstützt würde, die vorher nicht da war.

In der anfänglichen Phase ihrer Arbeit folgte die Künstlerin nämlich einem kreativen Prozess, der auf Intuition basierte. Nur aus der Intuition entstand das Kunstwerk, und dieses wiederum aus der Poesie, aus der emotionalen Reaktion der Künstlerin auf eine Blume oder auf eine Landschaft. Die Arbeit war an die Gemütszustände gebunden, die sich auf die Objekte und auf die Landschaften bezogen, welche die Phantasie anregten. Daher hatte die Künstlerin am Anfang ein fast instinktives Verhältnis zur Malerei. Ihre absolute Freiheit hatte diesen Ursprung.

Heute ist alles anders, weil die Qualität der Gemälde und die Fähigkeit Gerdi Gutperles, darüber nachzudenken, was sie bis heute in der Lage war zu realisieren, sich entschieden geändert haben. Das Glück der Farben von damals ist das gleiche geblieben, aber es ist deutlich selbstbewusster geworden. Mit der Erfahrung hat sich das Bewusstsein gesteigert.

Die Künstlerin setzt sich dieser Arbeit vollkommen aus, sowohl der konzeptuellen als auch der praktischen Vorgehensweise der aktuellen Kunst. Bei großen internationalen Veranstaltungen, wie die Documenta oder die Biennale in Venedig, stellen viele Künstler, insbesondere junge Künstler, Fotografien früherer Arbeiten, Installationen oder Gemälde aus. Die Fotografie ist Abstand und Nähe. Sie wird eine leichtere, geistige Materie. Die Überarbeitung eines Gemäldes oder eines Bildes, die im Laufe der Zeit entstanden ist, ist eine der Eigenschaften der konzeptuellen Arbeit von Künstlern wie Paolini oder Richter, es handelt sich also um ein künstlerisches Verfahren, das der zeitgenössischen Tradition angehört. Wir reden somit von einem Vorgehen, das Gerdi Gutperle mitten in die aktuelle künstlerische Diskussion setzt.

Ihre künstlerischen Fortschritte sind bemerkenswert. Die Form ist absolut frei geworden, sich in verschiedener Weise mit der Farbe zu verbinden. Die abstrakten Kompositionen haben außerdem ein kräftiges dynamisches Zentrum, und dies wird sicherlich von den bewegten Komponenten der Malerei der Künstlerin betont.

Zwischen den Komplementärfarben entsteht oft ein Gleichklang, der das Auge des Betrachters auf einen starken Wirbel vorbereitet. Ihre Bilder sind dynamische Energie-Zentren. Jede einzelne Arbeit hat eine unglaubliche Kraft und verdient einen eigenen Platz in jeder Ausstellung.

Inzwischen kennt die Künstlerin ihre bevorzugten Themen so gut, dass sie in der Lage ist, sie zu überarbeiten und zu einer Art internen Perfektion zu führen, die ihre Rechtfertigung nur noch in sich selbst findet. Es ist wirklich erstaunlich, wie es der Künstlerin in wenigen Jahren Erfahrung mit der Malerei gelungen ist, Techniken zu erarbeiten, die ihr erlauben, den Schwung der Energie und der Farben am besten aufzuwerten.

Ebenso zu unterstreichen ist, dass in ihrer Kunst nie ein Formalismus auftritt, der Selbstzweck ist. Im Gegensatz zu mancher Avantgarde der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts, verzichtet Gutperle nicht auf klare direkte Inhalte, sie treibt das Auge des Betrachters bis zur Schönheit der Realität. Diese Abstraktion ist nach außen gewendet, besser noch können wir sagen, es handelt sich um einen Durchgang zwischen Emotion und künstlerischem Denken, um eine betretbare Tür auf dem Weg zu einer immer wahrer und klarer werdenden Erkenntnis, die nicht viele Details über die Realität braucht, die uns nur ablenken können. Es ist eine Malerei, die sich direkt an die Essenz der Dinge richtet, an das, was übrig bleibt, wenn das Wahrnehmungsvermögen sich auf das Wichtigste konzentriert hat. Es ist also das Ergebnis einer Kreativität, die frei von den Sinnen ist, selbst wenn sie aus den Sinnen kommt. Es ist eine pure Sinnlichkeit, in der nur das dynamische Verhältnis zwischen Form und Farbe das endgültige Werk bestimmt.

Diese Entwicklung ist grundlegend für die Arbeit und die Suche von Gerdi Gutperle. Sie bedeutet, dass sie in der Lage gewesen ist, was sie bis heute erreicht hat, neu zu überdenken, und daraus neue Bilder zu malen, in denen Computer, Grafik, Fotografie und Malerei eine außergewöhnliche Symbiose erleben.

Ausgerechnet der Druck auf Leinwand bietet außerdem eine dichte Basis aus Linien und Mustern, die ideal für die bewegte Malerei Gutperles sind. Diese Technik definiert, mit anderen Worten, ein visuelles Feld, das weitere Eingriffe erwartet, und erwartet, dass die Malerei noch einmal einen Abstand, eine neue Definition der malerischen Aussage schafft. Ein hoch entwickelter Prozess, der keiner der Gattungen die Priorität zuschreiben will, sondern sie zusammenarbeiten lässt, für eine völlig neue Arbeit, die ihren Platz zwischen Kunst und Fotografie findet, zwischen Sinnlichkeit und Rausch.

Es ist nämlich so: Die letzten Gemälde von Gerdi Gutperle lassen sich perfekt innerhalb der seit wenigen Jahren stattfindenden Rückkehr zur Abstraktion einordnen. Das Glück, und damit die Malerei, muss möglicherweise die Distanz der Darstellung von der Realität wiedergeben. Wir sind sowohl während des Arbeitstages als auch in der Freizeit mit Tausenden von Bildern konfrontiert. Die Abstraktion ist ein harter und disziplinierter Weg, um in der Kunst einen Durchgang zu einer ständigen spirituellen Askese zu öffnen. Aber es handelt sich immer um eine Abstraktion, die in der Kunstgeschichte nichts demonstrieren muss, die eine neue Kommunikationsmöglichkeit zwischen der Kunst und der Welt sucht.

Wir sind sicher weit entfernt von der konkreten Kunst der 50er Jahre. Das Werk deutet immer auf etwas anderes hin, es ist nicht Selbstzweck. Es ist immer ein offenes Fenster zur Wahrheit, etwas, was in dem Wahrnehmungsvermögen der Künstler viel früher existiert, als in den Gedanken derjenigen, die die Bilder betrachten.

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