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2017-2018: Dr. Bettina Broxtermann

GARTEN EDEN 


Jubiläumsausstellung Gerdi Gutperle
September 2017  – Februar 2018

Der Garten Eden hat für uns Menschen eine vielfältige Bedeutung. Wir verbinden den Begriff mit den Anfängen unserer Entstehung, mit Wohlleben, Fruchtbarkeit, Fülle, grüner Natur, einer Vielfalt an Tieren und Nahrung, friedvollem Nebeneinander und Schutz für alle. Der Garten Eden ist für uns das Paradies. Hier lebten Adam und Eva bis zu dem Moment als Eva, durch die Schlange verführt, die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis aß. Als Sündenfall ist er in die Bibel, das heilige Buch der Christen, eingegangen. Alle monotheistischen Religionen sind sich darüber einig, dass es Eden gab, auch wenn der Sündenfall jeweils anders interpretiert wird. Forscher meinen in der Zwischenzeit sogar, diesen Ort zu kennen. Eden könnte an einem Fluss gelegen haben, der sich in Euphrat und Tigris sowie zwei weitere Flüsse teilte. Damit würde das Paradies in einem Gebiet zwischen der Türkei und dem Iran in eine Großregion eingebettet gewesen sein, die wir heute wohl kaum mehr mit den vorher beschriebenen Attributen des Garten Eden assoziieren.

Nach dem Sündenfall und der Vertreibung wurde leider alles anders. Unser Leben heute wird bestimmt von Mühe und Arbeit. Das ist sicher leicht zu ertragen im Gegensatz zu Zwietracht, Neid, Hass, Krieg, Verfolgung, Zerstörung von Kulturgütern oder dem vernichtenden Treiben von Selbstmordattentätern. Diese negative Realität unserer Welt wird uns nahezu täglich durch Meldungen der Presse ins Bewusstsein gerufen.

Gerdi Gutperle feiert 2017 mit der Ausstellung „Garten Eden“ ihr zwanzigjähriges Jubiläum als Künstlerin. Wer sie in diesen Jahren verfolgt hat, weiß, wie nahe ihr Natur und Menschen sind, wie sehr sie das Schöne und die Kunst liebt, aber auch mit welchem Mitgefühl sie das Leben anderer verfolgt und wie sehr ihr das Wohl von Menschen, gerade das von bedürftigen, am Herzen liegt. Sie macht die Augen vor Elend nicht zu, sondern versucht zu helfen, so wie mit Ihrem Kinderkrankenhaus in Indien, das sie durch den Verkauf ihrer Kunst mitfinanziert.

In ihren Gemälden führt sie uns weg von den zerstörerischen Dingen dieser Welt in einen Raum voll botanischer Üppigkeit mit einer Vielfalt an Formen und Farbtönen, Sonnenauf- und untergängen und atemberaubenden Wolkenspielen. Auffallend ist bei ihren Arbeiten, die sie in diesem Jahr eigens für die Ausstellung geschaffen hat, wie expressiv die Wahl der Farben in dunklem Blau, intensivem Pink und leuchtendem Gelb ausgefallen ist. Man spürt den Kampf des Himmels mit sich und den Landschaften oder den Wind, der durch die Wipfel der Palmen streift. Der Pinselduktus ist kräftig und sehr spontan. Menschen gibt es kaum in Gerdi Gutperles Bildern. Auch sind Zeichen der Zivilisation selten. Sie lässt in ihren Kompositionen das wütende Treiben von uns Menschen bewusst außer Acht, konzentriert sich auf die Schönheit der Natur und deren Wunder im Großen wie im Kleinen. Mit Hilfe verschiedener künstlerischer Materialien und Arbeitsweisen – Ölmalerei, Spachteltechnik und der Paint-Print-Paint Methode – arrangiert sie Landschaften, wie sie so in der Natur nicht vorkommen. Doch das fällt häufig erst beim zweiten Blick auf. Da wächst ein Palmwedel aus der Frucht einer Ananas und zarte Blütenblätter werden neben den stacheligen Kronen mediterraner Bäume sichtbar. Erde, Meer und Himmel überlagern sich, so dass der Betrachter mehrere räumliche Ebenen ausmachen und erforschen kann. Ideale Landschaften sind von der Barockzeit bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts beliebte Sujets. Künstler wie Nicolas Poussin, Claude Lorrain, Joseph Anton Koch oder Carl Rottmann kombinierten weite Ebenen, Seen, Berge, Menschen, Tiere, Städte und verlassene Ruinen einfallsreich und theatralisch zu einem Wunschbild – ihrem Arkadien. Somit steht die Künstlerin in einer langen Tradition. Was damals mit Ölfarbe und im Geist der jeweiligen Zeit erschaffen wurde, überträgt die Künstlerin in unsere moderne Welt und deren künstlerische Techniken.

In manchen Werken, das können Gemälde oder Keramiken sein, fordert die Künstlerin den Betrachter zur Auseinandersetzung mit einzelnen Pflanzen auf. Sie zeigt die Schönheit einer Blüte oder einer Frucht und konzentriert sich bei manchen ihrer keramischen Wandarbeiten auf die Form einzelner Blätter mit ihrem gezackten Rand und den ausgeprägten Adern. An die Vielfalt der Natur erinnert sie mit ihren Wandtafeln, auf die sie stark abstrahierte und sehr bunte Blätter zu einem fröhlichen Reigen montierte.

Ihr meisterliches Können zeigt sie vor allem in „ihrer“ Erschaffung des Adam und der Eva, denn diese beiden Hauptpersonen dürfen in einer Ausstellung zum Thema „Garten Eden“ nicht fehlen. Zwei ähnliche Figurengruppen entstanden aus Keramik, also Ton, einem Material, das der Erde entnommen ist und somit ganz ursprünglich zum Garten Eden gehört. Adam und Eva sind jeweils als Torso zu sehen. Über ihre wohlgeformten Mittelkörper – Arme, Beine und Kopf fehlen – legt sich ein Kleid aus ganz unterschiedlichen Blättern. Türkis bis braungrün glasiert und tief geadert, fügen sich die kleinen Kunstwerke aneinander und werden so eins mit dem Körper, den sie umgeben. Als Ergänzung zu dieser Gruppe schuf Gerdi Gutperle zwei unterschiedlich große Kugeln. Ob der Apfel der Versuchung oder die Weltkugel, bleibt dem Betrachter überlassen. Hier ziehen sich die unterschiedlichsten Ornamente über die ebenfalls in Grüntönen glasierte Oberfläche und schafft so ein dreidimensionales Relief.  

Da zu unserer Vorstellung vom Garten Eden auch das „Behütet sein“ gehört, treffen wir auf die großen Wandtafeln mit den helfenden Händen und auf einige Medaillons, die an ein Spiel von Wassernixen oder Engeln erinnern. Diese Werke passen ganz zu Gerdi Gutperles Verständnis von Menschsein, Güte und Schutz und ihrem eigenen, tiefen Bedürfnis zu helfen.

Gerdi Gutperle zeigt uns mit ihren Werken, dass wir noch immer im Garten Eden leben. Auch wenn die Welt um uns tobt und unsere Konzentration, vor allem in der westlichen Welt, auf materielle Dinge gerichtet ist, finden wir das Paradies jeden Tag und immer wieder in unserer unmittelbaren Umgebung. Wir müssen nur hinschauen, uns dessen bewusst werden und für dieses Wunder dankbar sein.

Dr. Bettina Broxtermann

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