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2006: Alfred Kren

2006, „Farben des Lichts“, Katalog, Dr. Alfred Kren

 
Gerdi Gutperle ist erstaunlich. Mitte Fünfzig beginnt sie, die Malerei für sich zu entdecken und in weniger als 8 Jahren schafft sie ein malerisches Oeuvre, das an Fülle seinesgleichen sucht. Mit rasantem Tempo, aber immer auch mit Ausdauer und Geduld erarbeitete sie sich ein malerisches Handwerkszeug, mit dem sie Bildern wie Jahresringe neue Dimensionen verleiht.

Und mit dem ihr eigenen Engagement stellt sie die gesamten Erträge ihrer künstlerischen Arbeit in den Dienst der von ihr gegründeten Stiftung, die ein ganz besonderes Projekt verwirklicht. In Sahaya Nagar-Vellamadam im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu entsteht zur Zeit das Kindergesundheitszentrum »Gerdi Gutperle Agasthiyar Muni Child Care Centre«, dessen Bau und Betrieb mit den Geldern aus der Stiftung finanziert wird. In diesem Kindergesundheitszentrum bekommen alle kranken Kinder, ungeachtet ihrer Religions- oder Kastenzugehörigkeit, kostenlos die bestmögliche medizinische Versorgung. Aber auch im Rahmen der Tsunamihilfe war die Gerdi Gutperle Stiftung aktiv. Am 19. März 2006 wurden 40 Häuser an Fischerfamilien übergeben, die bei der Tsunami-Katastrophe nahezu ihr gesamtes Hab und Gut verloren hatten. Ziel der Gerdi Gutperle Stiftung ist es, vor allem den Kindern der Region eine stabile Zukunftsperspektive zu schaffen.

Reisen schufen immer wieder Anregungen für die Malerei von Gerdi Gutperle und die zum Teil sehr persönlichen Eindrücke bilden nur einen Teil des großen Schmelztiegels an Motiven, aus dem sich die Malerin bedient. In der Malerei gibt es so etwas wie ein Deposit dessen, was man malen kann – Stilleben, Landschaften, Portraits auf der einen Seite und Abstraktes auf der anderen Seite. Dem Früchtestillleben von Cézanne begegnet das schwarze Quadrat von Malewitsch, dem Vollard- Portrait Picassos steht der Broadway Boogie Woogie von Mondrian gegenüber und so weiter. So scheint es manchmal, daß man danach kein Portrait mehr malen kann, kein Stilleben, keine Landschaft, ohne eine Kopie in die Welt zu setzen – und doch wird weiter gemalt.

Wenn die Konvention besonders stark ist, braucht man wie ein Rebstock lange Wurzeln, um der fertigen Frucht noch eine eigene Wendung hinzuzufügen. Nur so ist es zu erklären, daß Gerdi Gutperle einem Genre wie dem Stilleben, und hier in der Form des Blumenstillebens, eine ihr eigene Form hinzufügen konnte. Zwar sind die Anklänge an Georgia O’Keefe unverkennbar, deren Pflanzen und Blumen immer auch sanft unterzogen waren von einem erotischen Verlangen und der Zuspitzung eines fast fleischlichen Genusses beim Anblick der in sich verschlungenen Blüten und Kelche. Gutperles Leinwand »Meine Juwelen« aus dem Jahre 1999 schafft die Heraufbeschwörung eben dieser Empfindungen, ohne in eine Kopie der lange vor ihr gemalten Sujets zu verfallen. Arbeiten wie »Fantasievolle Gedanken« von 2001 und »In Motion« von 1999 zeigen die beharrliche Suche, die es Gutperle am Ende ermöglichen, etwas ganz Eigenes zu schaffen. Unabsichtlich werden hier Lebenslinien der Malerei unseres Jahrhunderts hinterfragt und es zeigt sich, daß scheinbar »fertige Sujets« mit neuem Leben erfüllt werden können.

Gutperles Landschaften sind auf ähnliche Weise entstanden und schufen dabei immer mehr imaginären Raum, in den die Malerin eigene Visionen und Wunschvorstellungen einfügen konnte. Dem natürlichen Bedürfnis nach Harmonie und Ausgewogenheit widersprechend toben sich in den immer abstrakter werdenden Bildern innere Konflikte und Sehnsüchte aus. Hierbei kommt es zu Bildern wie »Verbindung « und »Meeting«, denen man die figurativen Elemente nur mehr schemenhaft ansieht. Wie in einem Röntgenbild sind ursprüngliche Formen noch in zeichnerischer Reinheit auszumachen und verschwinden doch gänzlich in aufgewirbelter Malmasse aus Farbe und Pigment. In einem Bild wie »Spirit of Angkor« erinnert nichts an den Anklang von Terror, den nächsten Schritt in unbekanntes Terrain zu wagen, dem Nichts zu begegnen und nicht umzukehren, sich malerisch zu verwirklichen und ein neues Wesen in die Welt zu setzen. Das macht den Mut des Künstlers aus und mit solch einem Mut ist Gerdi Gutperle ausgestattet, die sich dem Schöpfungsstrom aussetzt. Sich mitreißen zu lassen in die Tiefen und Höhen dieses Stroms definiert schon die teils heftigen Ausschläge des malerischen Oeuvres von Gerdi Gutperle.

Es kommt nicht von ungefähr, daß die Künstlerin auf ihren Reisen Photographien schafft, in denen fremde und fremdartige Menschen direkt ins Kameraauge blicken, ohne Scheu und mit mindestens ebenso großer Neugier wie die Neugier der Künstlerin, die in ihren Photographien den Blick auf die unverfälschte Natur freilegt. Aus einer Vielzahl von kleinen Beobachtungen wiederum setzt sich das Ma(h)l-Werk von Gutperle in Bewegung und schafft neue Bilder.

Faszinierend an den Bildern Gutperles ist, daß sie immer nach einer Einheit streben, auch wenn collagierte Elemente Integration schwierig erscheinen lassen. Weitergehend könnte man sagen, daß sich ein Motiv des Heilens und Heilen-Wollens wie ein roter Faden durch das gesamte Oeuvre zieht.

Durch die Paint Print Paint-Technik, in der auf dem Computer Motive netzartig verwoben werden, anschließend ausgedruckt und dann wieder übermalt werden, ist es Gerdi Gutperle gelungen, eine Vielzahl von sehr persönlichen Eindrücken und Motiven immer weiter zu abstrahieren und piktogrammartige Strukturen freizulegen. Oft hat man das Gefühl, daß Gerdi Gutperle sich Konventionen fügt, nur um sich kurze Zeit später dagegen aufzulehnen. So erklärt es sich, daß Gerdi Gutperle nur selten einen gelungenen Wurf an Bildwahl und Ausführung stehen lässt. Immer wieder kehrt sie zu dem Motiv zurück und versucht, in diversen Arbeitsschritten die ganze Tiefe des Bildes auszuloten. So gibt es bei einigen Motiven wie zum Beispiel »Schöpferprogramm« und »Austausch« sowie »Genie« und »Meeting« Variationen eines Themas, die auf reizvolle Art das Farbempfinden und die Intuition der Malerin illustrieren. Die auftretende Polyphonie der Farben erinnert dabei an Farbklänge, deren Bandbreite vom Symphonischen bis zur Kammermusik reicht.

Es ist zu wünschen, daß Gerdi Gutperle die Ursprünglichkeit erhalten bleibt, die es ihr erlaubt, unbefangen, aber voller Engagement auf eine Welt voller Wunder zuzugehen, deren Spiegelung in ihren Bildern ruht.

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